Weniger Eis, weniger rufende Robben

Bericht: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)

Mehrere Jahre lang hat ein Forschungsteam des Alfred-Wegener-Instituts am Rande der Antarktis mit Unterwassermikrofonen nach Robben gelauscht. Erste, jetzt in der Fachzeitschrift Frontiers in Ecology and the Environment veröffentlichte Ergebnisse zeigen, dass der Rückgang des Meereises offenbar starke Auswirkungen auf das Verhalten der Tiere hat: Fehlt das Eis, ist es leise, wo das Meer sonst voller Rufe ist.

Irene Roca bei ihrer Forschung zu antarktischen Robben an der PALAOA-Horchstation des Alfred-Wegener-Instituts. (c)Alfred-Wegener-Institut / Clea Parcerisas

Wenn das Meereis verschwindet, verstummen antarktische Robben. Das ist das Ergebnis eines Fachartikels, den eine Gruppe um Dr. Ilse van Opzeeland jetzt veröffentlicht hat. Die Biologin forscht am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und am Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB). Für die Studie hat sie mit ihrem Team Tonaufnahmen aus einem Unterwassermikrofon untersucht, das automatisch die Rufe von Meeressäugern wie Robben und Walen aufzeichnet. „Das besondere an unserer Studie ist, dass wir erstmals Aufnahmen aus einem Zeitraum von acht Jahren für die vier antarktischen Robbenarten auswerten konnten“, sagt Erstautorin Dr. Irene Roca, während der Arbeiten zur Studie Biologin am HIFMB und AWI und derzeit an der Université du Québec en Outaouais (Kanada). „Dadurch wurde es möglich, das Verhalten der Robben über lange Zeit zu beobachten und für einzelne Jahre miteinander zu vergleichen.“

Aus den Daten der analysierten Jahre 2007 bis 2014 sticht der Jahreswechsel 2010/2011 hervor. Damals war das Meer in dem antarktischen Untersuchungsgebiet unweit der Neumayer-Station III des AWI fast völlig eisfrei. Weniger als zehn Prozent der üblichen Meeresfläche waren zugefroren. Wie die Aufnahmen aus den Unterwassermikrofonen zeigen, waren in diesem Zeitraum deutlich weniger Robben in den Gewässern unterwegs als in den übrigen sieben Jahren.

Weddellrobbe in der Antarktis (c)Alfred-Wegener-Institut / Joachim Plötz

Die antarktischen Robben benötigen Meereis, um darauf die Jungtiere zu gebären und zu säugen. Die Geburt und die Aufzucht finden im Frühling und Sommer der Südhalbkugel zwischen Oktober und Januar statt. Für gewöhnlich ist das Meer zu dieser Zeit noch zu einem großen Teil mit Eis bedeckt, sodass die Tiere ideale Bedingungen für die Geburt vorfinden. In der Saison 2010/2011 fehlte das Eis fast völlig. Da die Forschenden in dem Gebiet nur ein Unterwassermikrofon installiert hatten, lässt sich nicht genau nachvollziehen, ob oder wohin die Robben in dieser Saison abgewandert sind. „Unsere Unterwasseraufnahmen zeigen aber deutlich, dass in dem beobachteten Meeresgebiet viel weniger rufende Robben anwesend waren als üblich“, sagt Irene Roca. Das gelte für alle Robbenarten, die in der Region zu Hause sind: die Krabbenfresserrobben, die Weddellrobben, die Seeleoparden und die Rossrobben.

Das Untersuchungsgebiet der AWI-Fachleute liegt etwa 2000 Kilometer südlich von Kapstadt im sogenannten Weddellmeer. Vor allem das Küstengebiet im Osten des Weddellmeeres gilt als bedeutende Meeresregion, weil hier alle vier antarktischen Robben und auch mehrere Walarten nebeneinander vorkommen. Fachleute vermuten, dass das Gebiet so attraktiv ist, weil es viel Nahrung und für die Robben normalerweise gute Eisverhältnisse bietet. Insofern sei die Beobachtung aus der Saison 2010/2011 beunruhigend, so das AWI-Team: Sollte die Meereisbedeckung mit dem Klimawandel künftig häufiger so extrem schwanken, wäre diese Region für die Robben ein weniger zuverlässiges Fortpflanzungsgebiet. Das Meereisportal hat erst kürzlich bekanntgegeben, dass die vergangenen acht Jahre alle eine unterdurchschnittliche Meereisausdehnung in der Antarktis aufwiesen und im Februar 2023 ein Allzeit-Tief erreicht wurde.

Wie sich der Mangel an Meereis konkret auf die Robbenbestände auswirken könnte, wissen die Fachleute noch nicht, weil über die vier Robbenarten noch zu wenig bekannt ist. Besser untersucht ist die arktische Ringelrobbe. Sie benötigt für die Aufzucht ihres Nachwuchses Meereis mit einer dicken Schneeschicht, in die sie Höhlen für ihre Jungtiere gräbt. Inzwischen weiß man, dass viele Jungtiere sterben, wenn es zu wenig Meereis und Schnee gibt. „Ich vermute, dass die eisarmen Jahre auch bei den antarktischen Robben die Fortpflanzung beeinflussen – nicht nur, was das Überleben der Jungtiere angeht, sondern eventuell auch das Paarungsverhalten der Robben oder ganz andere Aspekte“, sagt Projektkoordinatorin Ilse van Opzeeland.

Die akustischen Daten aus den acht Jahren sind für sie etwas Besonderes. Robben zu erfassen, ist normalerweise extrem aufwendig. Man kann sie nur vom Schiff oder Hubschrauber aus zählen. Doch ist der Beobachtungsradius relativ gering. Zudem lassen sich mit Schiffen und Helikoptern Meeresgebiete weder flächendeckend noch durchgängig überwachen. Unterwasser-Horchanlagen hingegen können ununterbrochen größere Meeresgebiete abhören. Da Geräusche im Meer weiter wandern als in der Luft, können Meerestiere je nach Lautstärke ihrer Rufe außerdem noch aus vielen Kilometern Entfernung wahrgenommen werden. Bedauerlicherweise hat sich die sogenannte PALAOA-Horchanlage (das steht für Perennial Acoustic Observatory in the Antarctic Ocean) des AWI vor Kurzem zusammen mit einem abgebrochenen Gletscher von der Küste gelöst. An der Küste soll jetzt in der kommenden Antarktissaison ab Ende des Jahres ein neues Unterwassermikrofon installiert werden.


17.04.2023
Folke Mehrtens
Kommunikation und Medien
Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
www.awi.de

 

Lebensmittelhändler im Vegan-Check

Veganfreundlichste Lebensmittelhändler 2023 – CC BY 4.0 – Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

Wie veganfreundlich sind deutsche Supermärkte und Discounter? Das hat die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt in ihrem aktuellen Ranking untersucht. Das Ergebnis: Rewe und Globus belegen die Spitzenplätze bei den Vollsortimentern, während Aldi Süd und Lidl im Discounter-Segment überzeugen. »Mit unserem Ranking geben wir VerbraucherInnen eine Orientierungshilfe und regen Unternehmen dazu an, ihr veganes Angebot zu verbessern«, erklärt Luisa Kucz von der Albert Schweitzer Stiftung.

Bericht: Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

Um die Veganfreundlichkeit der Unternehmen zu bewerten, untersuchte die Stiftung bereits zum vierten Mal seit 2015 das pflanzliche Sortiment von insgesamt 12 Supermärkten und Discountern. Der Fokus lag dabei auf Lebensmittelgruppen, in denen aktuell noch viele Tierprodukte verwendet werden und die daher ein besonders großes Potenzial für mehr pflanzliche Zutaten bieten – etwa Alternativen zu Fleisch und Milch, aber auch Fertiggerichte. Darüber hinaus gingen dDen ausführlichen Reader zum Ranking können Sie auf der Website der Albert Schweitzer Stiftung herunterladen: https://lebensmittel-fortschritt.de/leh-vegan-ranking. Dort finden Sie auch Grafiken zur freien Verwendung.ie Marketingstrategien der Unternehmen in die Bewertung mit ein. Die Stiftung interessierte sich beispielsweise dafür, welche Zielgruppen die Unternehmen ansprechen, wie sie vegane Produkte im Markt platzieren und welche Ziele sie für die Erweiterung ihres pflanzlichen Sortiments formuliert haben. Anhand ihres Gesamtergebnisses wurden die Unternehmen auf die Plätze 1 bis 6 eingestuft.

Im Vergleich zu den vorigen drei Rankings der Stiftung sind die Unterschiede zwischen den Unternehmen zum Teil deutlich kleiner geworden. »Das zeigt, dass viele Unternehmen sehr gut auf die große Nachfrage nach pflanzlichen Produkten reagiert haben«, sagt Luisa Kucz, die bei der Stiftung den Bereich Lebensmittel-Fortschritt leitet. »Andere Unternehmen wie Edeka und Norma hingegen nutzen das enorme Potenzial der pflanzlichen Produkte noch zu wenig und sind daher auf den hinteren Plätzen des Rankings gelandet.« … weiterlesen

„Tierzahlen müssen reduziert werden“

VIER PFOTEN zum Bericht des Weltklimarats (IPCC)

Hamburg – Der Weltklimarat (IPCC) hat am 28.2.22 einen alarmierenden Bericht über die Folgen der Klimakrise veröffentlicht und sendet eine dringliche Botschaft aus: Die Auswirkungen extremer Wetterereignisse sind demnach häufiger und heftiger als je zuvor. Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle gesichert werden könne, schließe sich. 
Die globale Tierschutzorganisation VIER PFOTEN verweist zu diesem Anlass erneut auf den dramatischen Einfluss der landwirtschaftlichen Tierhaltung auf das Klima und fordert alle Vertreter:innen aus Politik und Wirtschaft auf, nachhaltige Ernährungssysteme auf die globale Agenda zu setzen, um die Zahl der sogenannten Nutztiere zu senken.  … weiterlesen

Vernichtendes Klimazeugnis: EU-Landwirtschaft muss Emissionen reduzieren

Bericht:  Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Der Europäische Rechnungshof hat gestern einen Sonderbericht zur „Gemeinsamen Agrarpolitik und dem Klimaschutz“ vorgelegt. Darin stellen die PrüferInnen fest, dass die milliardenschweren Agrarsubventionen die EU-Landwirtschaft nicht klimafreundlicher gemacht haben – im Gegenteil. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte fordert bei den Verhandlungen über die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP), endlich die richtigen Weichen für eine Ökologisierung der Landwirtschaft zu stellen. Dazu hat der Tierrechtsverband zehn Forderungen für eine Agrar- und Ernährungswende vorgelegt. … weiterlesen

Artenvielfalt der tropischen Ozeane sinkt als Folge der globalen Erwärmung

Anhand von Änderungen in der Vergangenheit, Rückschlüsse für die Zukunft ziehen: Internationales Team untersucht Foraminiferen-Vielfalt der Tropen

Bericht: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen

Ändert sich das Umfeld einer Art, sucht sie sich einen anderen Lebensraum und wandert ab. Steigt etwa die Temperatur, ziehen wärmeliebende Arten in höhere Breiten. Der so entstandene Verlust der Artenvielfalt in den Herkunftsregionen kann durch das Einwandern anderer Arten kompensiert werden. Eine Ausnahme bilden hier die Tropen: Da es außerhalb der tropischen Breiten keine Arten gibt, die an wärmere Bedingungen angepasst sind, kann infolge einer Erwärmung die Artenvielfalt der Tropen nur sinken. Eine neue Studie zeigt, dass ein solcher Rückgang der Biodiversität im tropischen Ozean nach der letzten Eiszeit stattgefunden hat. Ein internationales Team, zu dem auch Prof. Michal Kucera und Dr. Kerstin Kretschmer vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen zählen, hat dafür gut erhaltene Mikrofossilien in Meeressedimenten untersucht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Artenvielfalt weiter verringert, wenn die menschenverursachte Klimaveränderung nicht begrenzt wird.

Die im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlichte Forschungsarbeit rekonstruiert anhand von Fossilien die globalen ozeanischen Biodiversitätsmuster für die letzte Eiszeit (vor etwa 20.000 Jahren) und für die Zeit vor dem Anfang der aktuellen Erderwärmung. Diese Ergebnisse haben die Forschenden genutzt, um Prognosen für die nahe Zukunft (2090er-Jahre) zu erstellen. Aktuell gibt es in äquatorialen Breiten einen Einbruch in der Artenvielfalt – laut der Forschenden ähnlich dem in vorindustrieller Zeit. Im Gegensatz hierzu gab es diesen so genannten „Diversitätseinbruch“ allerdings nicht während der letzten Eiszeit.

Der Rückgang der Artenvielfalt in den Tropen ist eine Folge davon, dass sich die Erde nach der letzten Eiszeit erwärmt hat. Das, so schlussfolgern die Forschenden, wird aktuell durch die menschengemachte Erwärmung verstärkt. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts könnte so die tropische Vielfalt auf ein Niveau zurückgehen, das seit Millionen von Jahren nicht mehr beobachtet wurde, wenn die Zukunft mit dem „Business-as-usual“-Szenario der CO2-Emissionen übereinstimme, heißt es in der Veröffentlichung. Das würde sich auch auf den gesamten Ozean als größten Lebensraum der Erde auswirken. Ändert sich etwa die Vielfalt und so die Produktivität des Phytoplanktons, könnten ganze Nahrungsketten bis hin zum Menschen gestört werden – und so die Artenvielfalt im Ozean weiter verringern.

Um den vergangenen Zustand der tropischen Artenvielfalt zu rekonstruieren, haben die Forschenden winzige Kalkgehäuse von fossilem Plankton, den Foraminiferen, verwendet. Deren Schalen sind in marinen Sedimenten konserviert und dienen durch ihre Zusammensetzung den Forschenden als eine Art Archiv vergangener Umweltbedingungen.

„Die Biodiversität ist in den Tropen normalerweise hoch und an den Polen niedrig. Wir nennen dieses wichtige Muster den ‚Breitengradient der Biodiversität‘“, sagt Moriaki Yasuhara von der Universität Hongkong (China). Anhand dieses Gradienten lässt sich die Artenvielfalt auch global betrachten und vergleichen. Neuere Studien hätten laut Yasuhara jedoch gezeigt, dass die Artenvielfalt am Äquator abnimmt: der Breitengradient der Diversität flacht ab. „Wir wollten untersuchen, was die Ursache dafür ist und ob es sich dabei um ein neueres Muster handelt.“

Das Autorenteam sieht einen Zusammenhang zwischen der globalen Erwärmung und der rückläufigen Artenvielfalt in den Tropen. „Das bedeutet, dass die ozeanische Vielfalt am Äquator bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf ein in der Geschichte der Menschheit noch nie dagewesenes Niveau zurückgehen könnte“, sagt Co-Autor Derek P. Tittensor, Professor an der Dalhousie Universität (Kanada).

„Unsere Ergebnisse zeigen wie die Untersuchung vergangener mariner Ökosysteme, überliefert in Sedimenten der Tiefsee, Szenarien des Diversitätswechsels als Folge der Erderwärmung liefern können, die es uns ermöglichen, die Folgen des globalen Wandels besser zu bewerten“, fügt Co-Autor Michal Kucera vom MARUM hinzu.

Originalpublikation:
Moriaki Yasuhara, Chih-Lin Wei, Michal Kucera, Mark J. Costello, Derek P. Tittensor, Wolfgang Kiessling, Timothy C. Bonebrake, Clay Tabor, Ran Feng, Andrés Baselga, Kerstin Kretschmer, Buntarou Kusumoto, and Yasuhiro Kubota (2020): Past and future decline of tropical pelagic biodiversity. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. DOI: 10.1073/pnas.1916923117


26.05.2020
Jana Nitsch
Pressestelle
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen
Quelle:
www.idw-online.de
www.marum.de

 

 

Die Feuer im Amazonas Regenwald und ihre Verbindung zur Fleischindustrie

Mitteilung: VIER PFOTEN

Kommentar von Martina Stephany, Leiterin der Abteilung für Nutztiere und Ernährung bei VIER PFOTEN, zu den Feuern im Amazonas Regenwald und ihrer Verbindung zur Fleischindustrie: … weiterlesen

Klimawandel bedroht Überleben der Delfine

Mitteilung: Universität Zürich

Delfine in Westaustralien haben nach einer Hitzewelle im Meer deutlich weniger Junge zur Welt gebracht als in den Jahren zuvor. Wie Forscherinnen und Forscher der UZH zeigen, hat der Klimawandel einen weitreichenden Einfluss auf den Schutz maritimer Säugetiere. … weiterlesen