Koalitionsvertrag: Schwarze Zeiten für den Tierschutz in Hessen

Das Hessische Tierschutzbündnis, ein Zusammenschluss von Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V., Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V., Landestierschutzverband Hessen e.V., TASSO e.V., Menschen für Tierrechte, Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V. und Wildtierschutz Deutschland e.V., kritisiert, dass der Tierschutz nur einen untergeordneten Stellenwert im Koalitionsvertrag von CDU und SPD einnimmt. Besonders bemängeln die Tierschützer die hervorgehobene Bedeutung der Jagd, die lediglich das Hobby einer kleinen Minderheit darstellt, während der Tierschutz hingegen als Staatsziel im Grundgesetz verankert ist.

„Zukunftsweisende und konkrete Verbesserungen zum Schutz der Tiere finden sich nicht im Koalitionsvertrag. Wie ehrgeizlos sich der Vertrag beim Tierschutz darstellt, zeigt sich schon daran, dass ganze Passagen aus dem Koalitionsvertrag von schwarz-grün aus dem Jahr 2018 einfach wortwörtlich abgeschrieben wurden“, kritisiert Mike Ruckelshaus, Fachbereichsleiter Tierschutz Inland bei TASSO e.V. und Träger des Hessischen Tierschutzpreises. „Enttäuschend ist darüber hinaus das weitere Festhalten an der umstrittenen Rasseliste in der Hessischen Hundeverordnung und am Haustierabschuss durch Jäger, obwohl dieser bereits nach dem vorletzten Koalitionsvertrag verboten werden sollte.“

„Besonders enttäuschend ist, dass sich in dem Koalitionsvertrag pauschal gegen die Einführung einer Verbandsklagemöglichkeit für anerkannte Tierschutzorganisationen gesperrt wird“, so Dr. Barbara Felde, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V. „Mittlerweile gibt es bereits in acht Bundesländern die Möglichkeit, dass anerkannte Tierschutzorganisationen behördliche Maßnahmen zu Lasten der Tiere mit der Klage angreifen können, was durchaus bereits dazu beigetragen hat, das Tierschutzrecht gerechter – für die Tiere – durchzusetzen. Die SPD selbst hat im Jahr 2011 einen Gesetzentwurf für ein hessisches Verbandsklagegesetz eingebracht und lässt sich im Koalitionsvertrag nunmehr zu der Aussage herab, dass damit keine wirklichen Verbesserungen für das Tierwohl verbunden seien. Hier hat die SPD nicht richtig aufgepasst“, so Felde weiter.

Die neue Landesregierung stellt für die Tierschutzvereine, Tierheime und Wildtierauffangstationen eine bessere finanzielle Ausstattung der Stiftung Hessischer Tierschutz in Aussicht. „Mehr finanzielle Mittel für den Tierschutz – ein guter Ansatz“, kommentiert Ute Heberer, 1. Vorsitzende des Landestierschutzverbandes Hessen mit etwa 100 Mitgliedsvereinen. Zweifeln kann man daran, dass diese Mittel, wie in Aussicht gestellt, die baulichen Investitionsbedarfe der hessischen Vereine tatsächlich decken werden können, denn der Sanierungsbedarf der hessischen Tierschützer ist hoch.

Zurzeit stellt die Stiftung 350.000 € jährlich für alle Vereine zur Verfügung. Gehofft hatte der Landestierschutzverband Hessen auf eine landesweite Katzenschutzverordnung und eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für alle Hunden und Katzen. Beide Punkte wurden im Koalitionsvertrag zwar aufgegriffen, jedoch setzt man hier auf Information der Kommunen und Bürger und entscheidet sich gegen verpflichtende Regelungen.

„Der Passus zur Jagd führt Hessen ohne sachlich haltbare Gründe zurück in das letzte Jahrhundert,“ erläutert Lovis Kauertz, Vorsitzender von Wildtierschutz Deutschland e.V.: „Schonzeiten werden abgeschafft, Jagdzeiten für streng geschützte Arten wie den Biber eingeführt, die Fallenjagd wird durch die Einführung neuer Jagdzeiten gefördert, Nachtsicht- und Nachtzieltechnik sollen erlaubt werden und dem Wolf soll es möglichst im Rahmen eines Bestandsmanagements an den Kragen gehen. Forderungen, die ohne jegliche wissensbasierte Grundlage eins zu eins vom Landesjagdverband in den Koalitionsvertag geschrieben sein könnten. Völlig ignoriert wird auch die Haltung der Menschen in Hessen in Sachen Jagd und Tierschutz. Selbst in der ländlichen Bevölkerung spricht sich gemäß einer aktuellen Umfrage aus zehn EU-Ländern eine überwältigende Mehrheit für eine Koexistenz mit dem Wolf und seinen strengen Schutz aus.“

„Dass eine Verbesserung des Tierschutzes auch im Tierversuchsbereich für die neue Koalition offensichtlich keinen Platz haben wird, zeigt sich daran, dass man von der Vision der Vorgängerregierung klar abrückt, zumindest perspektivisch auf Tierversuche ganz zu verzichten und sie durch alternative Verfahren zu ersetzen. Vielmehr beschränkt sich die neue Regierung im Vertrag nur noch auf die Umsetzung tierschutzrechtlich bestehender Vorgaben. Weniger geht nicht“, so Torsten Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V.

Wie schwarz es für den Tierschutz in Hessen aussieht, zeigt das aktuelle Beispiel Stadttauben: Es kommt nicht von ungefähr, dass es das hessische Limburg war, dessen Stadtverordnetenversammlung im November dafür stimmte, die Taubenpopulation in der Innenstadt durch die Tötung der Tiere zu regulieren. In Sachen Stadttauben steht Hessen damit an letzter Stelle im bundesweiten Vergleich. Die geplante Tötung der Tiere durch Genickbruch ist ein klarer Rechtsbruch, denn es gibt mit dem tierschutzgerechten Stadttaubenmanagement ein milderes und ein effektives Mittel, um den Taubennachwuchs zu reduzieren. Falls es bei der Entscheidung für die Tötung bleibt, werden wir rechtlich dagegen vorgehen“, sagt Christina Ledermann, Vorsitzende von Menschen für Tierrechte.


18.12.2023
Menschen für Tierrechte:
Christina Ledermann
www.tierrechte.de

 

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