Tierschutzgesetz: Wirtschaft raus

Mitteilung: Albert Schweitzer Stiftung

Anlässlich des Welttierschutztages am 4. Oktober fordern die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt und die Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz eine Änderung des Tierschutzgesetzes, die wirtschaftliche Interessen als »vernünftigen Grund« im Sinne des Tierschutzgesetzes ausschließt. Im Jahr 2015 hatte der Bundesrat schon einmal einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen, den das Land Nordrhein-Westfalen eingebracht hatte. Die Gesetzesvorlage wurde an den Bundestag weitergeleitet, jedoch in den verbliebenen zwei Jahren der Legislatur nicht zur Abstimmung gebracht. Dem Entwurf nach wäre § 3 des Tierschutzgesetzes durch den zusätzlichen einleitenden Absatz ergänzt worden: »Es ist verboten, ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund, insbesondere zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile, zu töten.«

»Wir brauchen ein Tierschutzgesetz, das Leben und Wohlergehen von Tieren stets über rein ökonomische Erwägungen stellt – und zwar ohne Spielraum für Interpretationen«, so Konstantinos Tsilimekis, Geschäftsleiter der Albert Schweitzer Stiftung. »Der Gesetzgeber muss den ›vernünftigen Grund‹ konkretisieren, um Klarheit für die zukünftige Rechtsprechung zu schaffen. Ein praktikabler Gesetzentwurf existiert ja bereits und könnte wieder eingebracht werden.«

Im Juni hat das Bundesverwaltungsgericht durch sein Urteil zum Kükentöten das Tierschutzgesetz durch Präzisierung des vernünftigen Grundes in vielen Punkten gestärkt. Jedoch konnten die Richter der Praxis, männliche Küken in der Legehennenzucht kurz nach dem Schlüpfen aus rein wirtschaftlichen Interessen zu töten, keinen Einhalt gebieten. Auf dem Boden der geltenden Gesetzesfassung durften sie ökonomische Gründe bei ihrer Urteilsfindung nicht völlig außen vor lassen.

Im Tierschutzgesetz § 1 heißt es: »Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.« Was als »vernünftiger Grund« gelten kann, wurde im Laufe der Jahre durch die Rechtsprechung immer wieder unterschiedlich ausgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Urteilsbegründung zum Kükentöten erstmals höchstrichterlich bestätigt, dass das Tierschutzgesetz »nicht nur das Wohlbefinden des Tieres, sondern auch sein Leben schlechthin« schützt und das Leben eines Tieres nicht allein nach seinem ökonomischen »Nutzen« bewertet werden darf. Zudem sahen die Richter das im Jahr 2002 in das Grundgesetz aufgenommene Staatsziel Tierschutz als einen Wendepunkt in den Wertvorstellungen, was als »vernünftiger Grund« gelten kann und was nicht, und entschieden: »Die Belange des Tierschutzes wiegen schwerer als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe […].«

Dennoch erlaubten sie die Tötung der Eintagsküken »in Anbetracht der besonderen Umstände […] vorübergehend« weiter, eben weil sie die ökonomischen Interessen der Betriebe jedenfalls mit in Betracht ziehen mussten.


2.10.2019
Albert Schweitzer Stiftung
für unsere Mitwelt
www.albert-schweitzer-stiftung.de

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