Deutschland räumt Mängel beim Tierversuchsrecht ein

Verbände: „Unerträgliche Klientelpolitik zu Lasten der Tiere“

Mitteilung: Ärzte gegen Tierversuche e.V. 

Die EU hat Deutschland in einem Schreiben aufgefordert, rund 20 Mängel beim Tierversuchsrecht zu beheben, da die EU-Tierversuchsrichtlinie nicht korrekt in nationales Recht umgesetzt worden ist. Die Bundesregierung räumt nun einige der Fehler ein und kündigt an, diese beheben zu wollen. Die Verbände Ärzte gegen Tierversuche, Bund gegen Missbrauch der Tiere und TASSO kritisieren, dass die Bundesregierung nur auf massiven Druck Korrekturen vornimmt und die Mängelliste zudem bei weitem nicht vollständig ist. So gibt es die von der EU geforderte Leidens-Obergrenze, ab der ein Tierversuch nicht genehmigt werden darf, im deutschen Tierversuchsrecht nicht. Die Vereine wollen unter anderem erreichen, dass Deutschland die allerschlimmsten Tierversuche verbietet.

In Deutschland wurde die EU-Tierversuchsrichtlinie im Jahr 2013 in nationales Recht umgesetzt. Schon von Beginn an machten Tierschutzverbände die Bundesregierung darauf aufmerksam, dass die Umsetzung in wesentlichen Bereichen zu Lasten des Tierschutzes nicht korrekt erfolgt ist. Nachdem die Bundesregierung jegliche Änderungen verweigerte, wurden vom Verein Ärzte gegen Tierversuche und anderen Verbänden Beschwerden bei der EU-Kommission eingereicht.

Unbeeindruckt von diesen Vorwürfen, beharrte die Bundesregierung auf ihrer Position, dass das europäische Recht in Deutschland korrekt umgesetzt sei, selbst nachdem die EU-Kommission gegen Deutschland im September 2018 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat und in mehr als 20 Artikeln Umsetzungsfehler geltend macht. Erst jetzt hat die Bundesregierung in einer schriftlichen Mitteilung an die Kommission, die den Verbänden vorliegt, rechtliche Anpassungen angekündigt.

Die Mängelliste der EU-Kommission beschränkt sich allerdings weitgehend auf Umsetzungsdefizite im administrativen Bereich des Tierversuchsrechtes wie Inspektionen. Dipl. Biol. Torsten Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bund gegen Missbrauch der Tiere: „Dabei sind noch weitaus gravierendere Umsetzungsdefizite auszuräumen. So bedürfen in Deutschland in evident richtlinienwidriger Weise Tierversuche, die zur Aus-, Fort- oder Weiterbildung durchgeführt werden, keiner vorherigen behördlichen Genehmigung, sondern es reicht aus, sie der Behörde lediglich anzuzeigen. Auch die „Angst“ als Leidenskategorie wird im deutschen Tierschutzrecht überhaupt nicht erwähnt. Zudem haben die Genehmigungsbehörden in Deutschland keine inhaltliche Prüfungsbefugnis, d.h., wenn ein Antrag korrekt ausgefüllt ist, muss er genehmigt werden.“

Erst im Oktober hatten die drei Verbände erreicht, dass der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages sich in einer öffentlichen Anhörung über ein mögliches Verbot schwer belastender Tierversuche beschäftigen musste. Denn die EU-Richtlinie sieht eine Obergrenze für Schmerzen, Leiden und Ängste vor, die in Tierversuchen nicht überschritten werden darf. Deutschland beruft sich jedoch auf eine Ausnahmeklausel, die mit der Staatszielbestimmung Tierschutz im Grundgesetz unvereinbar ist. „Juristische Gutachten belegen, dass die Bundesregierung schon aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Verbot schwerstbelastender Tierversuche hätte umsetzen müssen“, sagt Dr. Cristeta Brause, Tierschutzreferentin bei TASSO.

„Es ist unerträglich, dass geltendes europäisches Tierversuchsrecht von der Bundesregierung offensichtlich nur mit großem Widerwillen und Widerstand umgesetzt werden kann. Eine umfassende und öffentlich transparente Überarbeitung ist nun zwingend notwendig“, so Dr. Corina Gericke, stellvertretende Vorsitzende des Vereins Ärzte gegen Tierversuche. „Das deutsche Tierversuchsrecht verwaltet Tierversuche nur, verhindert aber keinen einzigen Tierversuch.“ Die Tierschützer werfen der Bundesregierung Klientelpolitik vor, d.h. die Interessen der Tierversuchslobby wurden über die der Tiere gestellt.


Mitteilung v. 23.11.2018
Ärzte gegen Tierversuche e.V. 
www.aerzte-gegen-tierversuche.de

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