Mitteilung: Vetmeduni Vienna
Schweine sind sozialkompetente und lernfähige Lebewesen. Die Kombination beider Fähigkeiten, also das durch Beobachtung von Artgenossen geprägte Lernen, wurde bisher allerdings nur unzureichend analysiert. Exaktes Imitieren und Verstehen von gezeigten Handlungen, was für eine hochentwickelte Lernfähigkeit sprechen würde, konnte noch nicht demonstriert werden. Eine neue Studie mit Kune Kune-Schweinen von KognitionsforscherInnen des Messerli Forschungsinstituts an der Vetmeduni Vienna konnte nun erstmals zeigen, dass diese Tiere durchaus voneinander – in diesem Fall von der Mutter oder der Tante – lernen können. Die intelligenten Tiere verfügen außerdem über ein beachtliches Langzeitgedächtnis, wenn sie einmal einen Ablauf verinnerlicht haben. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Animal Behaviour veröffentlicht.
Schweine gelten landläufig nicht als besonders intelligent, in Einzelversuchen erweisen sie sich jedoch als sehr lernfähig und entscheidungsfreudig. In Kombination mit ihrer ausgeprägten sozialen Kompetenz kann man daher vermuten, dass die Tiere auch über ein sozialgeprägtes Lernvermögen verfügen könnten. Die wenigen zu diesem Lernaspekt veröffentlichten Studien erzielten bislang jedoch kein eindeutiges Ergebnis.
Schweine zeigten in diesen Tests lediglich die Bereitschaft, dort nach Futter zu suchen, wo zuvor Artgenossen gefressen hatten. Damit konnte zwar sozial-gelenkte Aufmerksamkeit aber keine hochentwickelte Lernfähigkeit demonstriert werden. Dafür hätten die Tiere eine komplexe Handlung eines Artgenossen imitieren, oder Ziele und Intentionen eines Vorzeigers, etwa bei der Manipulation von Objekten, verstehen müssen.
Dass Schweine entgegen der bisherigen Ergebnisse durchaus hochentwickelte Fähigkeiten des Lernens durch Beobachtung haben, zeigte nun eine neue Studie von KognitionsforscherInnen des Messerli Forschungsinstitutes der Vetmeduni Vienna. Sie bewiesen, dass junge Kune Kune Schweine, eine neuseeländische Freilandrasse, von der Mutter oder einer Tante vorgezeigte Aufgaben aufmerksam beobachten und anschließend replizieren.
Lernen von der älteren Generation
Das Ziel der Studie war es, soziales Lernen anhand von „vertikaler Informationsweitergabe“, also der Weitergabe von Wissen an die nächste Generation, zu zeigen. „Im Unterschied zu den meisten Studien bisher, in denen Tiere von gleichaltrigen Artgenossen lernten, wurden Jungschweine getestet, nachdem sie ihrer Mutter oder ihrer Tante bei der Lösung einer manipulativen Aufgabe zusehen konnten“, erklärt Ludwig Huber, der Leiter dieser von der Messerli Stiftung finanzierten Studie. „Die Aufgabe bestand darin, eine Futterkiste mit Schiebetür zu öffnen, um an attraktives Futter zu kommen.“ Die Tür konnte mit dem Rüssel an drei Positionen – links, rechts oder in der Mitte – sowohl nach rechts als auch nach links geschoben werden.
Achtzehn Jungtiere wurden in drei Gruppen zu je sechs Tieren aufgeteilt. Zwei Gruppen konnten ihrer Mutter oder Tante von einem abgetrennten Bereich aus zusehen, wie sie eine von zwei möglichen Öffnungstechniken anwendeten. Die dritte Gruppe musste dagegen ohne Beobachtungsmöglichkeit mit der Aufgabe zurechtkommen. Ihr Verhalten diente auch als Test, ob es eine unerwartete, allgemeine Präferenz für die Manipulation der Schiebetür gab.
So macht Mama das – Schweinekinder können sich gezeigte Lösungswege merken und imitieren
Das Ergebnis des Versuches zeigte, dass die auf sich selbst gestellten Jungschweine verschiedene Techniken anwandten. Das bestätigte, dass es keine allgemeine Präferenz gab. Die Beobachtertiere zeigten dagegen echtes Beobachtungslernen, wobei sie kaum die Drückposition, sondern zumeist die Drückrichtung oder beides zusammen kopierten. Interessanterweise zeigten sich die besten Ergebnisse, wenn die Jungtiere erst am nächsten Tag auf den Lerneffekt getestet wurden. Offenbar prägten sie sich das Gesehene gut ein und konnten es dann bei Bedarf korrekt reproduzieren. Diese beachtliche Leistung wurde bisher selten im Tierreich nachgewiesen und noch nie bei Schweinen. Damit nehmen die in der Lernforschung wenig beachteten und im öffentlichen Ansehen wenig geschätzten Tiere einen wesentlich höheren Stellenwert für die Kognitionsforschung ein, als bislang vermutet.
Jungschweine haben auch ein gutes Langzeitgedächtnis
Denn auch die Leistung der Jungtiergruppe ohne Beobachtungsmöglichkeit war erstaunlich. Hatten diese Tiere nach wenigen Versuchen einen passenden Lösungsansatz, so merkten sie sich diesen. Eine Wiederholung des Tests nach einem halben Jahr zeigte, dass sie sofort den gleichen Ansatz wieder abrufen konnten. „Das deutet auf ein gut funktionierendes Langzeitgedächtnis hin“, so der Studienleiter.
Den Hintergrund der Anlage zu sozialer Lernfähigkeit vermuten die ForscherInnen in der Haltungsform dieser Schweinerasse. „Es scheint, als hätte die Gruppenhaltung im Freiland und die dadurch mögliche Etablierung einer natürlichen Schweinegemeinschaft eine bestehende Anlage dieser Tiere für soziale Intelligenz zu Tage gefördert. Es wäre lohnend die positiven Effekte des Lernens von älteren Tieren in Zukunft auch in der kommerziellen Schweinehaltung zu bedenken und bei zukünftigen Verbesserungen der Haltungsbedingungen zu berücksichtigen“, so Huber.
Die Versuche wurden am Forschungsstandort Haidlhof der Vetmeduni Vienna in Niederösterreich durchgeführt und wie auch die Haltung durch die Messerli Stiftung finanziert.
Der Artikel „Object movement re-enactment in free-ranging Kune Kune piglets“ von Ariane Veit, Marianne Wondrak und Ludwig Huber wurde in Animal Behaviour veröffentlicht. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0003347217302531?via%3Dihub
Pressemitteilung v. 11.10.2017
Mag.rer.nat. Georg Mair
Wissenschaftskommunikation / Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
vwww.etmeduni.ac.at