Umfrage: Fast 80 Prozent der EU-Bürger:innen für eine tierversuchefreie Wissenschaft

Bericht: Menschen für Tierrechte

Eine neue repräsentative Umfrage zum Einsatz von Tieren in Forschung, Testung und Ausbildung zeigt deutlich, dass die EU-Bürger:innen einen Wandel hin zu tierversuchsfreien Lösungen wünschen. In Deutschland sprechen sich 84 Prozent der befragten dafür aus, dass die EU eine koordinierte Strategie für den Übergang zu wissenschaftlicher Forschung, Prüfung und Ausbildung ohne den Einsatz von Tieren entwickeln soll. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte fordert die Bundesregierung dazu auf, ihre geplante Reduktionsstrategie zu nutzen, um einen Ausstieg aus dem Tierversuch einzuleiten. … weiterlesen

So bleibt der Hund gesund – Notfälle erkennen und Erste Hilfe

Der Hund krampft, zittert, erbricht oder verliert das Bewusstsein.
Was ist im Notfall zu tun? Wie leistet man erste Hilfe beim Hund? Welche Erste-Hilfe-Maßnahmen es im Fall der Fälle gibt, zeigen die Tipps fürs Tier der Vetmeduni. 

Notfälle und Symptome

– Verbrennungen
– Krampfanfälle
– Atemnot
– Hitzschlag
– Augenverletzungen
– Bewusstseinsverlust
– plötzliche Lähmungen der Beine
– blasse Schleimhäute
– anhaltendes (blutiges) Erbrechen
– schwerer (Verkehrs-)Unfall
– Probleme beim Harnabsatz
– Verschlucken von Fremdkörpern oder giftigen Substanzen
– starke, unstillbare Blutung
– anhaltender (blutiger) Durchfall … weiterlesen

Zusammenhang von Mobilfunk und Insektensterben?

Im Magazin „diagnose:funk“ erschien am 24.1.2023 ein Bericht über die Studie des Schweizer Bundesamtes für Umwelt. Die Mobilfunkstrahlung ist wahrscheinlich am Insektensterben beteiligt. Das weist die Studie der Universität Neuchatel nach:

zum Bericht „Studie des Schweizer Bundesamtes für Umwelt hält den Zusammenhang von Mobilfunk und Insektensterben für wahrscheinlich“

 

Erfolg: Neues US-Gesetz erlaubt Arzneimittelzulassung ohne Tierversuche

Humanstudien nun auch ohne vorhergehende Tierversuche möglich

Mitteilung: Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Ende Dezember 2022 unterzeichnete US-Präsident Joe Biden den „FDA Modernization Act 2.0“. Danach muss die Sicherheit von Arzneimitteln nicht mehr zwangsläufig an Tieren getestet werden. Dies könnte nach mehr als 80 Jahren leidvollen Sicherheitsprüfungen an Tieren eine deutliche Reduktion von Tierversuchen einleiten. Damit beschleunigen die USA den Übergang hin zu tierversuchsfreien Verfahren. Deutschland und die EU hinken dem dynamischen Prozess in den USA hoffnungslos hinterher.

Bereits am 29. September 2022 hatte der US-Senat den „Modernization Act 2.0“ ohne Gegenstimmen verabschiedet (1), was schließlich in die Unterzeichnung des Gesetzes durch den amerikanischen Präsidenten mündete (2). Das Gesetz ermöglicht, neue Medikamente nicht mehr zwingend an Tieren zu testen, sondern sie auf Basis tierversuchsfreier Verfahren zuzulassen. Dies ist ein logischer Schritt, nachdem die US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) letzten November ankündigte, einen Teil ihres Budgets für 2023 für die Entwicklung einer „umfassende Strategie“ für alternative Testmethoden (NAMs) aufzuwenden (3). … weiterlesen

Pflanzenextrakte wirken gegen Viren

Extrakte aus Heidelbeeren und schwarzen Johannisbeeren unterbinden in Zellkulturen die Infektion der Zellen durch Masern- und Herpesviren. Davon war ein Würzburger Forschungsteam sehr überrascht.

Mitteilung: Uni Würzburg

Schon lange werden bestimmte pflanzliche Extrakte und Naturstoffe als immunstärkend oder sogar heilungsfördernd bei verschiedenen Erkrankungen angesehen. Dazu zählen auch Erkrankungen durch Viren. Aber wie lassen sich solche Zusammenhänge untersuchen? Wie kann man mit möglichst geringem Aufwand geeignete Wirkstoffkandidaten für weiterführende Tests identifizieren?
Forschende nutzen dazu heute unter anderem Screeningverfahren, die „in vitro“, also außerhalb eines lebenden Organismus, Aussagen über erwünschte oder unerwünschte Wirkungen auf biologische Zellen treffen können. Zum Einsatz kommen dabei standardisierte Zellkulturen, sodass die Ergebnisse vergleichbar und reproduzierbar sind. … weiterlesen

Tierversuchsfreie Verfahren: USA will umfassende Strategie entwickeln

Menschen für Tierrechte fordert Deutschland auf, dem Beispiel der USA zu folgen

Die US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) hat angekündigt, 2023 eine „umfassende Strategie“ für alternative Testmethoden zu entwickeln. Parallel dazu leiten die USA den Übergang zu einer Forschung ohne Tierversuche auch gesetzlich ein. Auch die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag eine Reduktionsstrategie zu Tierversuchen festgeschrieben. Doch passiert ist bisher nichts. Menschen für Tierrechte fordert die Bundesregierung auf, aktiv zu werden und sich die bereits existierenden Ausstiegsstrategien zum Vorbild zu nehmen.

Die Ankündigung, eine „umfassende Strategie“ für alternative Testmethoden zu entwickeln, kündigte die leitende FDA-Wissenschaftlerin Namandjé Bumpus im Fachjournal Nature an (1). Es gäbe zwar keinen festen Zeitplan, sagt die Pharmakologin, aber das Programm, das Tierversuche durch den Einsatz modernster Alternativmethoden ersetzen soll, habe Priorität. Die vielen neuen Verfahren, die in Laboren auf der ganzen Welt entwickelt würden, machten die Abschaffung von Tierversuchen zu einer realistischen Möglichkeit für die Zukunft, sagt Bumpus. David Strauss, Direktor für angewandte Regulierungswissenschaft bei der FDA, ergänzte: „Wir glauben, dass wir uns an einem möglichen Wendepunkt befinden“. … weiterlesen

Tierarztvorbehalt für die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika bei Tieren ist verfassungswidrig

Mitteilung: Bundesverfassungsgericht

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 50 Abs. 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Tierarzneimitteln und zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Tierarzneimittel vom 27. September 2021 (Tierarzneimittelgesetz – TAMG) gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt und nichtig ist, soweit die Vorschrift die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger und zugleich registrierter homöopathischer Humanarzneimittel bei Tieren, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, unter einen Tierarztvorbehalt stellt.

Die Beschwerdeführerinnen sind als Tierheilpraktikerinnen beziehungsweise Tierhomöopathin tätig und behandeln Tiere mit nicht verschreibungspflichtigen, hochpotenzierten Humanhomöopathika. Nach dem mit Wirkung zum 28. Januar 2022 neu eingeführten § 50 Abs. 2 TAMG dürfen sie solche Humanhomöopathika bei Tieren nur noch dann anwenden, wenn sie zuvor von einer Tierärztin oder einem Tierarzt verschrieben oder abgegeben worden sind.

Dieser in § 50 Abs. 2 TAMG angeordnete Tierarztvorbehalt verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und – im Falle einer der Beschwerdeführerinnen, die zugleich Tierhalterin ist – in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), soweit die Vorschrift einen Tierarztvorbehalt auch für die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika vorsieht. Der damit verbundene Grundrechtseingriff ist nicht verhältnismäßig. Der Gesetzgeber hat vor dem Hintergrund, dass die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung von Belangen des Tierschutzes und einer Schädigung der Gesundheit von Tier und Mensch als gering einzuschätzen ist und durch die Einführung einer Pflicht zum Nachweis theoretischer Kenntnisse im Bereich der Tierheilkunde weiter gemindert werden kann, keinen verfassungsrechtlich angemessenen Ausgleich vorgenommen.

Sachverhalt:

Nach der bis zum 27. Januar 2022 geltenden Rechtslage war Personen, die nicht Tierärztinnen oder Tierärzte sind, die Anwendung jeglicher nicht verschreibungspflichtiger Humanarzneimittel bei Tieren, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, vorbehaltlos gestattet. Seit dem 28. Januar 2022 stellt § 50 Abs. 2 TAMG dies unter den Vorbehalt, dass die Arzneimittel von einer Tierärztin oder einem Tierarzt verschrieben oder abgegeben worden sind, und dass die Anwendung gemäß einer tierärztlichen Behandlungsanweisung erfolgt. Dieser so genannte Tierarztvorbehalt umfasst daher unter anderem die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger, hochpotenzierter Humanarzneimittel bei Tieren.

Die Beschwerdeführerinnen arbeiten seit vielen Jahren in eigener Praxis als Tierheilpraktikerinnen beziehungsweise Tierhomöopathin. Sie behandeln vor allem Hunde und Katzen, aber auch Pferde und teilweise Kleintiere. Therapeutisch arbeiten sie nahezu ausschließlich klassisch homöopathisch und verwenden dabei hochpotenzierte Humanhomöopathika, die registrierungspflichtig, aber nicht verschreibungspflichtig sind. Eine der Beschwerdeführerinnen hält auch privat Hunde und Pferde, die sie bei Bedarf ebenfalls mit diesen Arzneimitteln behandelt.

Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen § 50 Abs. 2 TAMG und rügen eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Als Tierhalterin rügt eine der Beschwerdeführerinnen zudem eine Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

A. Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig, soweit die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 (allgemeine Handlungsfreiheit) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) rügen.

Das Tierarzneimittelgesetz dient als solches zwar auch der Umsetzung und Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union (vgl. § 1 Abs. 3 TAMG). Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die Prüfung des § 50 Abs. 2 TAMG im angegriffenen Umfang ist gleichwohl eröffnet, da es sich insoweit nicht um die Umsetzung zwingenden Unionsrechts handelt. Die Regelung setzt weder vollständig vereinheitlichendes Unionsrecht aufgrund eines Umsetzungsauftrags um, noch dient sie der Anpassung an insoweit verbindliches Unionsrecht.

B. Die Verfassungsbeschwerden sind begründet.

I. § 50 Abs. 2 TAMG greift unverhältnismäßig in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der als Tierheilpraktikerinnen beziehungsweise Tierhomöopathin tätigen Beschwerdeführerinnen ein.

  1. Soweit § 50 Abs. 2 TAMG die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika bei Tieren unter einen Tierarztvorbehalt stellt, greift die Regelung in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerinnen ein.
  2. Dieser Eingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

a) Der für die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika bei Tieren angeordnete Tierarztvorbehalt verfolgt allerdings einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck. Die in den Gesetzgebungsmaterialien genannten Zwecke der „Fortführung und Anpassung an die europarechtlichen Vorgaben“ des § 57a AMG a. F. können die angegriffene Regelung zwar für sich genommen nicht tragen. Auch die Arzneimittelsicherheit in Gestalt des Schutzes vor einer Fehlmedikation kann nicht als legitimer Zweck herangezogen werden, denn es bestehen keine hinreichend tragfähigen tatsächlichen Erkenntnisse dazu, dass durch die Anwendung von hochpotenzierten Humanhomöopathika bei Tieren Gefahren für Tier, Mensch oder die Umwelt zu besorgen sind.

Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Tierarztvorbehalt aber den legitimen Zweck, die Qualität von Diagnostik und Therapie bei Heilbehandlungen von Tieren zu sichern. Es dient dem Tierschutz und der Gesundheit von Mensch und Tier, wenn Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen durch nicht ärztliche Personen vermieden werden. Zwar lassen die Gesetzesmaterialien ein entsprechendes Anliegen des Gesetzgebers nicht erkennen. Es handelt sich insoweit aber um einen objektiv vernünftigen und sachlichen Zweck, auf den auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerden hinweist.

b) Der für die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika angeordnete Tierarztvorbehalt ist zur Erreichung des Gesetzeszwecks im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet und erforderlich. Er ist jedoch nicht verhältnismäßig im engeren Sinne.

aa) Der Eingriff in die freie Berufsausübung hat erhebliches Gewicht. Tierheilpraktiker und Tierhomöopathen, die klassisch homöopathisch arbeiten und daher nahezu ausschließlich hochpotenzierte, nicht verschreibungspflichtige Humanhomöopathika anwenden, sind im Kern ihrer Tätigkeit betroffen. Eine weitere berufliche Tätigkeit ist auf diesem Gebiet ganz weitgehend nicht möglich.

bb) Mit dem Tierschutz sowie der Gesundheit von Tier und Mensch stehen dem Eingriff schützenswerte Belange von erheblichem Gewicht gegenüber. Tiere sollen vor körperlichen Schmerzen, Leiden und Schäden durch Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen durch nicht ärztliche Personen bewahrt werden. Mit Verbesserung des Tierschutzes wird ein besonders wichtiger Gemeinwohlbelang verfolgt, denn die Verfassung selbst verpflichtet den Gesetzgeber durch Art. 20a GG, geeignete Vorschriften mit dem Ziel des Tierschutzes zu erlassen.

cc) Die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung der hier verfolgten Gemeinwohlbelange ist jedoch als nicht sehr hoch einzuschätzen und kann vor allem durch die Einführung einer Pflicht zum Nachweis von Kenntnissen im Bereich der Tierheilkunde weiter gemindert werden.

     (1) Das Tierschutzgesetz (TierSchG) und das Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) enthalten verschiedene sanktionsbewehrte Verhaltens- und Anzeigepflichten, die jedenfalls in schwerer wiegenden Fällen die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung von Belangen des Tierschutzes und einer Schädigung der Gesundheit von Tier und Mensch durch Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen im Rahmen gewerblich durchgeführter Heilbehandlungen teilweise mindern können.

     (2) Die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung der hier geschützten Gemeinwohlbelange schätzt der Gesetzgeber selbst nicht als sehr hoch ein, da er eine Gefährdung im Hinblick auf zahlreiche andere Heilbehandlungen bei Tieren grundsätzlich hinnimmt.

Dass mit einer Heilbehandlung durch Tierheilpraktiker und Tierhomöopathen gewisse Gefahren für den Tierschutz und die Gesundheit von Tier und Mensch einhergehen, weil nicht approbierte Personen nicht die gleiche Gewähr für eine hohe Qualität von Diagnostik und Therapie bieten können wie ein Tierarzt, ist keine Besonderheit der Anwendung von Humanhomöopathika bei Tieren. Dies gilt ebenso zum Beispiel für die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Tierarzneimittel (etwa Tierhomöopathika) oder alternativer Heilmethoden (etwa Pflanzenheilkunde), die vom Gesetzgeber weder im Tierarzneimittelgesetz noch an anderer Stelle unter einen Tierarztvorbehalt gestellt, sondern auch Personen ohne spezifische Ausbildung unter Anwendung unterschiedlichster Therapieansätze vorbehaltlos gestattet werden. Die Gefahr von Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen und das Risiko, dass auf Menschen übertragbare Infektionskrankheiten unerkannt bleiben können oder falsch behandelt werden, nimmt der Gesetzgeber dort hin.

     (3) Die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung von Belangen des Tierschutzes sowie einer Schädigung der Gesundheit von Tier und Mensch kann aber vor allem dadurch weiter gemindert werden, dass die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika bei Tieren durch nichtärztliche Personen zumindest vom Nachweis solcher Kenntnisse abhängig gemacht werden, die dazu befähigen einzuschätzen, inwieweit die Zuziehung eines Tierarztes oder die Verweisung an einen Tierarzt erforderlich ist.

dd) Vor diesem Hintergrund erscheint der Tierarztvorbehalt für die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika zur Sicherung der Qualität von Diagnostik und Therapie im Ergebnis nicht mehr angemessen. Die als nicht sehr groß einzuschätzenden Gefahren können durch die Einführung einer Pflicht zum Nachweis theoretischer Kenntnisse in der Tierheilkunde weiter vermindert werden. Gleichzeitig steht ihnen ein schwerwiegender Eingriff in die Berufsfreiheit gegenüber, denn Tierheilpraktikerinnen und Tierheilpraktikern, deren Tätigkeit sich im Wesentlichen auf Behandlungen im Wege der klassischen Homöopathie beschränkt, bleibt mit Einführung des Tierarztvorbehalts im hier angegriffenem Umfang kaum mehr Raum zur beruflichen Betätigung. Das Maß der Belastung der Grundrechtsträger steht daher nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis zu den dem gemeinen Wohl erwachsenden Vorteilen.

II. Der in § 50 Abs. 2 TAMG auch für die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika durch Tierhalterinnen und Tierhalter angeordnete Tierarztvorbehalt greift unverhältnismäßig in deren allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) ein.

Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit von Tierhalterinnen und Tierhalter, die – wie eine der Beschwerdeführerinnen – ihre Tiere klassisch homöopathisch behandeln, ist nicht gerechtfertigt. Der Tierarztvorbehalt dient zwar, auch soweit Tierhalterinnen und Tierhalter von ihm betroffen sind, dem legitimen Zweck der Sicherung der Qualität von Diagnostik und Therapie. Er ist ebenso geeignet und erforderlich, diesen Zweck zu erreichen. Die Regelung ist aber ebenfalls nicht mehr verhältnismäßig im engeren Sinne.

Zwar ist das Eingriffsgewicht der Regelung zunächst geringer. Denn Tierhalterinnen und Tierhalter müssen weder eine ihren Lebensunterhalt sichernde Tätigkeit aufgeben noch sich insoweit beruflich neu orientieren. Demgegenüber sind aber die Sicherungen insbesondere des Tierschutzgesetzes, die jedenfalls in schwerer wiegenden Fällen die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung von Belangen des Tierschutzes und der Schädigung der Gesundheit von Tier und Mensch mindern, für Tierhalterinnen und Tierhalter ungleich stärker.
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Beschluss vom 29. September 2022
1 BvR 2380/21, 1 BvR 2449/21


Mitteilung Nr. 92/2022
vom 16. November 2022
Bundesverfassungsgericht
www.bundesverfassungsgericht.de
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